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Wer war eigentlich dieser Mann? |
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an schreibt das Jahr 1836. Die Welt
ist nicht besser und nicht schlechter als in unserer Zeit,
nur anders ist sie. Etwas weniger komfortabel, aber gemächlicher.
Auf jeden Fall haben sich die damaligen Menschen für jede
Sache viel mehr Zeit genommen als jene, die so und soviel
Jahre später geboren wurden. Auf dem Straßen- und Marktpflaster
von Ljubljana ertönt das Getrappel von Pferdehufen; anstatt
im Mercedes, im Audi oder im BMW fahren die Damen und
Herren - beziehungsweise mit anderen Worten: die Säulen
der Gesellschaft - in mehr oder weniger (un)bequemen gepolsterten
Kutschen und Kaleschen herum. Es gibt noch keine Schwierigkeiten
mit industrieller Luftverschmutzung, obwohl es sich in
den engen Gassen der Hauptstadt des altertümlichen Herzogtums
Krains schwer atmen lässt: für die unangenehmen Gerüche
- Zeitgenossen bezeichneten sie sogar als "bestialisch"
- sorgen mehr als ausreichend die vielen Pferdeäpfel und
der verschiedenartigste Müll, der von den Bürgern wie
er eben kommt weggeworfen wird. Die Wasserleitung ist
damals noch Science-fiction: in Ljubljana wird sie von
den Stadtvätern erst ein halbes Jahrhundert später verlegt
und die menschlichen Fäkalien fielen schlicht in offene
Gruben, dass es weit und breit nur so "duftete"; entleert
wurden sie erst, wenn einer den Willen und die Zeit für
ein solches Vorhaben verspürte. Die Slowenen hatten damals
nicht einmal einen Ausdruck für das gewisse Örtchen: bis
1844 waren dafür nur fremde Ausdrücke in Gebrauch - wie
"Abtritt", "Privet" oder "Sekret" (Klo). Erst in der Zeitung
Kmetijske in rokodelske novice, die der (Tier)arzt Dr.
Janez Bleiweis redaktionell führte, wird dann anempfohlen,
dass man zu dieser, heutzutage so selbstverständlichen
Einrichtung "vstrani¹e" sagen könnte, "weil in ihr alles
v stran/zur Seite gebracht wird, was anderswo nicht hinzeigt".
Demnach ist es nicht verwunderlich, dass die damaligen
Städte - genauso wie die mittelalterlichen Handels- und
Handwerkssiedlungen mit hoher Stadtmauer - noch immer
Brutherde von alle möglichen Krankheiten waren. Schwindsucht,
Diphtherie, Masern, Scharlach, Ruhr, Typhus, Trachom,
Schwarze Pocken, die unterschiedlichsten Geschlechtskrankheiten
und ab dem Jahr 1836 auch noch die Cholera waren alltägliche
Besucher in Ljubljanas Häusern. Auch Brände sind ein großes
Desaster - vor allem deshalb, weil viele der Hausherren
beim Ausbruch eines Feuers noch immer in die Kirche laufen
und den Hl. Florian um Hilfe anflehen, anstatt sich entschlossen
mit dem Löschen zu befassen.
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Gewohnheiten und Bräuche
Im allgemeinen suchen die Menschen den Trost in edlem
Tropfen: die Wirtshäuser, Schnapsbrennereien, vor allem
aber die Freudenhäuser sind voll. Die Geistlichen - als
berufliche Hüter der öffentlichen Moral - äußern zwar
ihr Missfallen und warnen vor verschiedensten Rauschmitteln,
ihr Kreuzzug gegen den Alkohol endet aber in einem völligen
Fiasko. Das Verhältnis der Slowenen zum Tropfen, der den
Bedürftigen Trost bringt (und überhaupt, welches slowenisches
Wort hat so viele Kosenamen und Verniedlichungsformen
wie der Wein - vince, vinèek, vinèece etc. alles liebkosend
für den Sorgenbrecher; viele aber schwören auf das "Feuerwasser",
denn schneller als der Wein führt es einen in das künstliche
Paradies, außerdem zwingt es nicht zu einer besonders
häufigen "Abgewöhnung"), stand eben von jeher im Zeichen
einer Herzens-"Breite" und Toleranz. Auch die weltliche
Weisheit gibt traurig klein bei: zwar brachte der Stadtarzt
Dr. Fran Viljem Lipiè aus Ljubljana, der seine Karriere
als Universitätsprofessor an der Wiener Medizinfakultät
abschloss, in der Krainer Hauptstadt im Jahre 1834 die
erste wissenschaftliche Antialkoholabhandlung der Welt
heraus, aber die Trinkerei wurde dadurch nicht weniger.
Nicht der Trunk - die Nüchternheit ist der Feind!
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Die Mode jener Zeit diktiert den Damen
das Tragen von verschiedensten Hüten und Hütchen, von
Zierschleifen und langen Röcken - für feierliche Abendanlässe
auch üppige Krinolinen; das Korsett musste bis zum Äußersten
geschnürt werden. Die Herren tragen bodenlange Hosen (gewöhnlich
sind sie gestreift oder kariert; nur hie und da sieht
man am Abend noch Kniebundhosen mit langen Seidenstrümpfen,
die für das 18. Jahrhundert üblich waren), Westen, Zylinder
und Spazierstöcke; die Überröcke sind vor allem am Rücken
etwas länger geschnitten, so dass sie fast bis zum Knie
reichen. In Ljubljana waren fast bis zum 18. Jahrhundert
die sogenannten Kongresshosen (zur Erinnerung an den Kongress
der Heiligen Allianz im Jahre 1821) ein besonders eleganter
Teil der Männergarderobe. "Die bessere Gesellschaft" amüsiert
sich mit Kartenspielen (ein begeisterter Freund derartiger
Unterhaltung war der damalige Ljubljanaer Bischof Anton
Alojzij Wolf) in den Theatern (das besuchte ab und zu
sogar der heilige lavantinische Bischof Slom¹ek in Maribor)
und auf Tanzveranstaltungen: die Menschen drehen sich
unermüdlich und schmelzen bei Walzertönen, bei (schnellen)
Polkas, beim Galopp, bei Quadrillen, Polonäsen, Mazurken...
Den Takt geben ihnen die beiden Wiener Kapellmeister Josef
Lanner und Johann Strauß Vater.
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Es kommen neue Zeiten, das Bürgertum
erwacht
Die einfachen Landleute unterscheiden sich von den oberen
Gesellschaftsschicht - Adeligen beziehungsweise Aristokraten
und Bürgern - natürlich schon durch die Gewandung: sie
sind nicht nur nachlässiger, heruntergekommener, sondern
bereits auf den ersten Blick auf irgendeine Weise anders.
Nach der damaligen Auffassung sind die Menschen erst dann
erwachsen, wenn sie zur Firmung beziehungsweise zur Konfirmation
gehen (Paten schenken den Jungen zu diesem Anlass kein
Handy, denn dies wurde ja noch nicht erfunden, sondern
einen breitrandigen Hut, den diese dann zu besonders vornehmen
Anlässen bis zu ihrem Tode tragen). Ihre Behausungen sind
düster und armselig; mancherorts auf den Bauernhöfen sind
in den Wohnräumen sogar häusliche Nutztiere anzutreffen.
In der Öffentlichkeit haben die ärmlichen Ackerbauer,
Viehzüchter und Fuhrmänner praktisch kein Wort mitzureden:
es ist wahr, dass sie schon persönlich frei sind, sie
müssen aber noch immer Fronarbeit bei den weltlichen und
kirchlichen Potentaten leisten, die sich ihnen gegenüber
dann oftmals auch noch äußerst überheblich verhalten.
So redet ein Schloßbeamter einem Bauern in der slowenischen
Steiermark noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
ein, dass er nicht weniger als die vierte Gottesperson
auf Erden sei!
Jedoch wird den meisten schon bewusst, dass die Stunde
der tausendjährigen Feudalordnung langsam abläuft. An
die Tür klopft bereits die industrielle Epoche. Ihr Symbol
ist die Dampfmaschine und die Eisenbahn, die Wörter, die
am häufigsten verwendet werden sind aber Fortschritt,
Technik und Energie. Die Zeitung von Bleiweis weist die
Slowenen im Jahre 1844 bedeutungsvoll darauf hin, dass
man "im Rennen mit der Zeit ertrinkt, wenn man nicht mit
ihr schwimmt." Das Leben in den Städten ist immer weniger
vom Wechsel der Jahreszeiten abhängig: die Fabriken sind
Tag und Nacht ausgelastet und Jahr für Jahr werfen sie
neue Produkte auf den Markt. Wenn in den vorherigen Jahrhunderten
die Privilegurkunden der Herrscher Reichtum und gesellschaftliches
Ansehen zusicherten, wird jetzt das Geld zum entscheidenden
Faktor: mit ihm kann man praktisch alles kaufen. Als angesehener
und ehrwürdiger Mensch gilt jener, in dessen Taschen Münzen
glänzen und klimpern. Und natürlich auch jene, die sich
mit einem Universitätsdiplom schmücken können. Wer seine
Fähigkeiten entweder mit Vermögen oder mit Gelehrtheit
beweist, kann damit rechnen, dass ihm das öffentliche
Auge und Ohr mit zugeneigt sind. Unter den Bewohnern der
Landeshauptstadt Ljubljana - in der Mitte des 19. Jahrhunderts
waren es rund 15.000 - konnte man im Jahre 1836 France
Pre¹eren antreffen. Heutzutage ist dieser Mann jedem Slowenen
bekannt, in jener Zeit war es aber nicht so. Denn er sah
nicht nach wer weis was besonderem aus! Ein bürgerlich
gekleideter Mensch - wie andere Leute auch, die beruflich
mit dem Gericht zu tun gehabt haben. Er war zwar nicht
so gut gewachsen, wie sein zu früh verstorbener Bruder
Jo¾ef, der als "schönster Student von Ljubljana" galt,
aber das soll noch nicht heißen, dass Pre¹eren in den
Augen der schöngeschminkten Fräuleins von Ljubljana (aber
auch anderen) unattraktiv und unerregend war. (Für ihn
zum Beispiel interessierte sich das begüterte Fräulein
Khlun aus Graz einige Zeit sehr ernsthaft.) Nun ja, der
Herr Doktor, der in dem kleinen Dorf Vrba in Gorenjska
in den letzten Tagen des 18. Jahrhunderts (3. Dezember
1800) das Licht der Welt erblickte, und im Jahre 1828
mit ausgezeichneter Leistung das Jurastudium an der ehrwürdigen
Wiener Universität beendete, war allenfalls zu oft durch
"flüssige Angelegenheiten" verhindert, aber einem alleinstehenden
Mann kann man das nicht so arg übel nehmen! Niemand ist
vollkommen. (In diesem Sinne ist jeder ein "Niemand".)
Und zuallerletzt: irgendwo muss er sich ja entspannen
nach dem anstrengenden Arbeitstag, denn die Slowenen haben
schon zu jener Zeit - wie noch heutzutage - und mit einer
immensen Wut, prozessiert, sich verklagt und verteidigt,
dabei aber mit Hilfe "spitzzüngiger Doktoren" dynamisch
appelliert, revidiert, rekrutiert, protestiert, reklamiert,
liquidiert, vergleicht, subvertiert... In späteren Jahren
beschrieb Pre¹eren seinen Arbeitstag so: "Ich arbeite
7 Stunden bei Herrn Dr. Crobath (d.h. in seiner Anwaltskanzlei),
damit ich 2 Stunden bei der alten Metka trinken kann."
Von seinen Gerichtsprozessen hat er aber trotz seiner
intensiven Freundschaft mit dem "König Alkohol" keinen
verloren.
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Pre¹eren und Kopitar
Natürlich war es wohlbekannt, dass Pre¹eren Gedichte schrieb.
In den Bürgersalons waren seine Sonetten in slowenischer
und deutscher Sprache bekannt, in den raucherfüllten und
durch Alkoholdünste entzündbar vollgestopften Kneipengelassen
aber die improvisierten Gelegenheitsverse, die wegen der
denkerischen Kühnheit oder der kritisch-unterhaltenden
Schärfe nicht gedruckt werden konnten. Denn das öffentliche
Wort stand zu jener Zeit unter der wachsamen Aufsicht
der "Ordnungshüter". In der kaiserlichen Thron- und Hauptstadt
Wien führte damals der äußerst strenge und konservative
Erste Minister Clemens Fürst von Metternich (1773-1859)
die Staatsgeschäfte. Er war kein dummer Mensch, weit davon,
doch der Mann fand sich schwer damit ab, dass sich die
Welt um ihn in einem ständigen Wandel befand. Am liebsten
hätte er es so gehabt, dass alles so bliebe, wie es in
den guten alten Zeiten... Die Krone trug der Kaiser und
König Ferdinand (aus dem Geschlecht der Habsburger), rachitisch
und von schlichtem Gemüte, der sich aber in das politische
Leben nicht einmischen wollte. Seine berühmteste Herrschertätigkeit
war die Formulierung eines Satzes, den sich die Geschichtsschreibung
gut merkte: "Ich bin der Kaiser und will Nudeln!" Metternich
vernetzt die Habsburger Monarchie, die sich vom italienischen
Mailand im Südwesten bis zum ukrainischen Lvov im Nordosten
sowie vom tschechischen Prag im Nordwesten bis Kotor am
Schwarzen Meer im Südosten erstreckte mit zahlreichen
Polizeiagenten, vor allem aber verpasste er der Presse
einen Maulkorb - die Zensur. Und obwohl das letztere mehr
oder weniger eine Plage als ein ernsthaftes Hindernis
der Popularisation der neuen, d.h. liberalen Ideen (Freiheit;
Gleichberechtigung aller Menschen; Brüderlichkeit unter
ihnen) war, ärgerlich war sie trotzdem. Dem antreibenden
Ersten Minister dienten auch viele Slowenen; der berühmteste
unter ihnen war ohne Zweifel der Ellbogenmensch Jernej
Kopitar (1780-1844), der sich nach den "Lehrjahren" im
Haus des edlen Aufklärers ®iga Zois Baron von Edelstein
(1747-1819) in der Hofbibliothek in Wien verdingte und
dann langsam der Beamtenleiter hinauf strebte. Der ungeheuer
ambitionierte J. Kopitar war eine recht finstere Existenz:
als er im Jahre 1808 beziehungsweise 1809 eine wissenschaftlich
unbedenkliche Grammatik der slowenischen Sprache in Oberkrain,
im slowenischen Kärnten und in der slowenischen Steiermark
herausbrachte, war er der Meinung, dass ihm deshalb von
nun an die Rolle des ersten Schiedsmannes in Angelegenheiten,
die mit der slowenischen Sprache verbunden sind, für immer
zusteht. Als Zensor drückte er mit fester und schweren
Hand auf seine Landsleute, während er gegenüber der Obrigkeit
aber buckelte. Ein wahrer Radfahrer also! Jernej Kopitar
intrigierte gegen jeden, der sich nur ein wenig vom Durchschnitt
abheben wollte: er verbreitete böswilliges Gerede über
den Dichter und Sprachforscher Valentin Vodnik (1758-1819),
hetzte auch gegen den ersten akademischen Lehrer für slowenische
Sprache (auf dem Grazer Lyzeum) Janez Nepomuk Primic (1785-1823;
Primic verlor sogar seinen Verstand unter anderem auch
wegen Kopitars Hinterlistigkeit), und versuchte auf alle
mögliche Arten das Sammelwerk der Poesie, die Kranjska
èbelica, zunichte zu machen, in welchem auch Pre¹eren
seine Gedichte veröffentlichte. Der grenzenlose Machtmensch
J. Kopitar, der sich praktisch von jedem literarisch talentierten
Slowenen bedroht fühlte, war von nicht besonders ansehnlicher
Statur, jedoch versuchte es dies mit Kleidung, die stets
den modischen Trends und Verrücktheiten folgte zu verdecken.
Es ist nicht verwunderlich, dass Pre¹eren auf seine Rechnung
auch dieses spöttische Sonett geschrieben hat (Original
ist in deutscher Sprache):
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Sie hörten doch von des Schrattens üblen Absichten:
...
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Der Dichter ging nicht besonders zimperlich
mit dem finster dreinschauenden Wiener Zensor um, der
im Privatleben zwar alles andere als ein glücklicher Mensch
war, jedoch tat ihm Pre¹eren kein Unrecht. Auch deshalb
nicht, weil Kopitar ein eifriger Förderer des wunderlichen
Grammatikers Fran Serafin Metelko (1789-1860) war, welcher
unter den Landsleuten mit seiner verrückten Buchstabenschrift
Verwirrung stiftete (er heckte sie aus der lateinischen,
kyrillischen und aus neu erfundenen Wörtern aus; es ging
um ein sehr geschmackloses und unintelligentes Durcheinander).
Zum Glück verhinderten urteilsfähige Leute, an der Spitze
Pre¹eren und sein Freund Matija Èop (1797-1835), die Schrift
von Metelko, die die Slowenen nicht nur in der Sprache,
sondern auch in der Buchstabenschrift von allen anderen
Völkern trennen, in brieflich-journalistischen Federkriegen
unmöglich machen würde. Pre¹eren ist gegen die "Neubuchstabierung"
und schreibt seinem frankensteinischen Wiener Inspirator
das berühmte Sonett über den Brei.
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Pre¹erns Gedichtthemen
Der Dichter konnte einfach in keiner Form Schwachsinn
und Tyrannei ertragen. Mit klarem Wort schlug er auf die
sprichwörtlich verdummten, slowenischen Grammatiker ein,
die den Landsleuten seit jeher das Leben mit ihren schrecklich
blöden Ideen und kleingeistigen Marotten vergällten. Pre¹eren
fiel aber auch über die Leute her, welche die literarische
Richtentwicklung vorschreiben wollten; mit ihnen rechnete
er in dem satirischen Dialog Nova Piserija und in der
parabolischen Legende Orglar ab. In der letzteren mahnt
sogar der liebe Gott seinen zu feurigen Diener, welcher
der die Liebe feiernden Nachtigall heilige Lieder lehren
wollte:
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Lasst singen meine Nachtigall,
wie ich ihre Kehle schuf! (...)
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Jeder soll folglich in Übereinstimmung
mit seinem inneren Wesen leben; keiner hat das Recht -
ungeachtet auf noch so "gutgemeinte" Absichten - andere
zu terrorisieren. Die Leute soll man nehmen, wie sie sind,
nicht aber von ihnen eine "Besserung", "Korrigierung",
"Anpassung" und ähnliches fordern. Pre¹eren war jede Art
von Unfreiheit unerträglich widerlich: darum ist es nicht
verwunderlich, dass er sogar seine Taschenuhr nicht mit
dem Uhrkettchen an der Weste angehängt hatte (wie es in
jener Zeit üblich war), dieses erinnerte ihn viel zuviel
an die Kette als ein Symbol der Sklaverei. Natürlich hat
der Dichter die unersprießlichen politischen Verhältnisse
in Metternichs absolutistischer Herrschaft auch nicht
einfach mit Gleichgültigkeit verfolgt. An seinem Lebensabend
schrieb er die Zdravljica, das Trinklied, das in allumfassender
Brüderlichkeit unter dem Banner der Freiheit alle Menschen
guten Willens und alle Völker der Welt vereinigte: es
war wirklich eine Utopie - aber eine Utopie, über die
es wert wäre nachzudenken. In den Herzen der Landsleute
fand dieser Gedanke von Pre¹eren Nachklang; und so wurden
seine monumentalen Verse:
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Ein Lebehoch den Völkern, ...
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die zentrale Mitteilung der slowenischen
Nationalhymne. Aber Pre¹erens Dichtergedanke drehte sich
nicht nur um das große Thema Freiheit; seine Verse waren
in der ersten Reihe Ausdruck heftiger Liebe - auf der
einen Seite zu den Angehörigen des schöneren Geschlechts
und auf der anderen Seite zum Volk. Die Liebe, die in
Pre¹erens Poesie zu finden ist, hat viele Gesichter: sie
kann voll zärtlicher Hoffnung und unverhohlenen Selbstbewusstseins
sein, wie in der 7. Ghasele (Wer sie liest, jeder anders
urteilt die Gedichte mein), aber auch voll grenzenlosen
Leidens, wie im nachstehenden Sonett, welches das Schicksal
eines unerhörten Verliebten beschreibt:
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Es geschieht in Zeiten, dass Mohammedaner,...
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Der Dichter kennt sowohl das Glück als
auch das Unglück in der Liebe. Das erste verbindet sich
mit der Freude des literarischen Schaffens, das zweite
aber mit dem Schmerz der Erkenntnis, dass manchmal auch
die völlige Hingabe, die besten Absichten und die schönsten
Wünsche nicht die Herzenspforten der unsterblich geliebten
Frau aufriegeln können. Pre¹eren, der seiner Auserwählten
- dem zerbrechlichen, zarten Fräulein Julija Primic aus
Ljubljana - einen Sonettenkranz widmete, spürt, dass er
abgelehnt wird (wie der unglückliche italienische Dichter
Torquato Tasso, der im 16. Jahrhundert die "Estesin" Leonora
vergötterte), ja er schreibt:
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Aus ihrem Herzen trieben Keime, ...
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und liebt deshalb nicht weniger. Wie
auch die anderen Romantiker ist er der Meinung, dass man
dem menschlichen Herzen nicht befehlen kann, denn die
Liebe ist nicht etwas, was man austauscht (oder sogar
kauft und verkauft) auf dem Markt der Träume und der Realität.
Im Gegenteil: das Herz befehligt dem Menschen, und dies
ohne Rechnen auf Profit oder Verlust. Die Liebe ist einfach
- wenn es sein muss, sogar der ganzen Welt zum Trotz!
Dem eigenen Schicksal kann man in keinem Fall entrinnen.
Aus Pre¹erens Gedichten lässt sich ein wahres Liebesdrama
herausschälen. Ihr Anfang ist möglicherweise in diesen
Versen zu sehen:
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Schon dem Herzensfrieden gefährliche Jahre, ...
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Unerhörte Liebe
Hier ist noch alles gut und recht; es gibt noch kein Wölkchen
am klaren Himmel. Doch der sensible Dichter kann trotzdem
nicht ganz ohne Sorgen sein, denn die Umstände des ersten
Rendezvous mit der Auserwählten könnten tiefgreifender
ausfallen, wie man aus dem Sonett Je od vesel'ga èasa
teklo leto entnehmen kann. Die fröhlichen Zeiten der Christen
- Geburt des Weltenretters Jesus Christus - sind schon
längst vorbei, und der Dichter fand sich an einem Ort,
der mit seinem Namen eher an sein Tod erinnert (Trnovo
- trnjeva krona, in etwa: Schleh(dorn) - Dornenkrone).
Auch die Zeit ist alles andere als fröhlich: der Samstag
der Passionswoche ist eigentlich der Tag des verstorbenen
Gottes (Pre¹eren betont nicht zufällig das "Gottesgrab").
Die Geburt der Liebe, was natürlich der zweite Name für
das Leben, beziehungsweise für seine Quelle ist, ist in
einem solchen Augenblick (d.h. im Augenblick, der durch
den Tod gekennzeichnet ist) ein eigenartiges Wunder. Jedoch
ist dieses Wunder nur für Pre¹eren da: für andere Menschen,
die sich frommen Verrichtungen widmen, stehen die Dinge
völlig anders; das Mischen des Religions- und des Liebesglaubens
(der Feuerfunke, den man nicht löschen kann - also die
ewige Flamme - ist ihr Symbol) ist für sie eine völlig
inakzeptable Gotteslästerung. Einen solchen Standpunkt
vertritt auch Pre¹erens Auserwählte, denn der Beginn der
Liebe bedeutet für sie der Beginn des Leidens. Aber (man
darf nicht vergessen, dass wir uns in der Epoche unverbesserlicher
beziehungsweise unverdorbener Romantiker befinden!) das
ist kein Grund, dass der Mensch auf seine tiefsten Gefühle
verzichtet solle. Vor allem wenn er ein Dichter ist, denn
er könnte im aussichtslosen Liebesunglück - gleich wie
in erhoffendem Liebesglück - die Quelle der tiefsten Poesie
entdecken (wie aus dem Sonett zu entnehmen ist, das die
Leonora "Estijanska" und ihren Verehrer erwähnt). Oder
mit anderen Worten: auch das Unglück in der Liebe ist
letzten Endes auch nicht jenseits jeden Sinns, obwohl
dieser manchmal schwer zu bemerken ist. Man muss sagen,
dass Pre¹eren ihn im Sonettenkranz ganz deutlich sieht:
seine Poesie will "Sloven¹è'no celo" erwecken, dass heißt
alle Menschen, die unsere slowenische Sprache sprechen.
Hier verbindet sich die erotische Liebe zu einer Frau
mit der aktiven Liebe zu seinen Landsleuten, dass heißt
zum Volk, dem er angehört ("rod Sloven¹è'ne cele"). Also
geht hier nichts verloren; nichts ist umsonst - obwohl
so manches umsonst ist.
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Pre¹eren wird von Julija Primic nicht
erhört. Der Herr Doktor schien für die herrschsüchtige
Mutter, die Tag und Nacht für das seelische und sonstige
Wohlergehen der lieben Tochter sorgte, auf keinen Fall
ein genug solider Mensch zu sein. Freilich, er hatte ein
Universitätsdiplom, bei der Arbeit konnte er aber nicht
vorankommen, wie es sein sollte; auf keinen Fall konnte
er zu einer selbstständigen Anwaltskanzlei kommen und
dadurch zu einem sicheren - und was noch bedeutender war:
zu einem befriedigenden - Einkommen. Das wusste aber auch
der Dichter selber, denn mit Bitterkeit im Herzen stellte
er fest, wie Weisheit, Gerechtigkeit und Gelehrtheit ledige
Jungfrauen ohne Mitgift sind (denn für alle Bereiche im
Leben gilt, "da le petica da ime sloveèe", dass nur der
Silbergroschen dem Namen Ruhm gibt, und "clovek toliko
velja, kar plaèa..." der Mensch soviel gilt, wie er zahlt)...
Zu jener Zeit war selbst die Heirat mindestens soviel
wie Folge der Liebe auch Geschäft: ein klarer Kopf heiratet
mit dem Gedanken an Vermögen! Vermögen umwirbt Vermögen.
Geld macht Geld (Unglück aber Unglück). Und darüber hinaus:
was denkt sich eigentlich nur dieser Mensch, der seinen
Heiratsantrag gleich in der Zeitung veröffentlichen ließ
(der Sonettenkranz mit Akrostichonwidmung "Primicovi Julji"
erschien als Beilage in der slowenisch-deutschen Zeitung
Illyrisches Blatt) !? Ist etwa die Zeit der Troubadoure
und ritterlichen Verehrungen nicht schon vergangen? Auch
das Ständchen bringen wurde von Abend zu Abend weniger
gebräuchlich! Nein, nein Pre¹eren ist nicht der richtige.
Er kann nicht sein. Er darf nicht sein! Etwa so dachte
Julijas Mutter - und versprach die Tochters Hand dem vermögendem
Jo¾ef pl. (dem adeligen) Scheuchenstuehl. Der Mann war
in jeder Hinsicht eine "gute Partie", darüber hinaus konnte
er sich sogar aristokratischer Abstammung rühmen. Allerdings:
die Menschen wussten schon damals, dass die Adeligen kein
besonderes "blaues Blut" haben - und sogar aufs Klosett
müssen sie gehen wie alle anderen auch! -, aber das pl.
vor dem Familiennamen hatte noch immer eine magische Anziehungskraft
für jene, die sich dessen nicht rühmen konnten. Pre¹erens
großen Zeitgenossen, den französischen Schriftsteller
Balzac hat es zum Beispiel viel Mühe gekostet, die Menschen
um sich herum von seiner adeligen Abstammung zu überzeugen
(sein Familienname müsste also richtig de Balzac lauten;
da er ein brillanter Schriftsteller war, gelang ihm dieses
Manöver vollkommen und die ganze Welt ging ihm auf den
Leim, obwohl es sich um einen üblen Streich, beziehungsweise
um reine Erfindung handelte: in Wirklichkeit war er ein
Adels-Autodidakt, das heißt ein wahrer self-made-nobleman!).
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Obwohl Pre¹eren aus dem Heiratsmarkt
des provinziellen Ljubljana im Grunde genommen skrupellos
ausgeschieden wurde, kühlte seine Liebe nicht ab. Das
ist doch kein Gefühl, dass von der Reaktion eines Anderen
beziehungsweise von Anderen abhängig ist! Die Natur fordert
einen freien Weg - wenngleich sich ihr die Kultur mit
allen Konventionen und Vorurteilen mit aller Kraft entgegenstellt.
Deshalb ist das Sonett des Dichters überhaupt nicht verwunderlich,
das zur Rechtfertigung des Kranzes geschrieben wurde,
der unter den biederen Bürgern in der Krainer Hauptstadt
ziemlich viel Staub aufwirbelte:
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Es konnte nicht das Gebet der Landadeligen sture
Köpfe, ...
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Pre¹eren als Mensch edler Liebesgefühle
kann nicht aufhören, obwohl er aufs Haar einem Dickschädel
zu ähneln scheint. Wie ein frommer Pilger besucht er das
Atelier seines Freundes, des Malers Matev¾ Langus, der
den Auftrag bekam, die Primic Julija zu verewigen:
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So mancher Pilger macht sich auf nach Rom, nach
Compostela...
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Freunde sterben
Obwohl sich der Meister Langus nach allen Kräften anstrengte
und das sommersprossige Fräulein Julija (darüber hinaus
hatte sie anscheinend eine Schulter bemerkbar niedriger
als die andere) so abbildete, dass sie sich sogar selber
schön fand, sollte hier immerhin erwähnt werden, dass
sein Portrait von Pre¹erens unsterblicher Geliebten kein
besonders großes Kunstwerk wurde. Nebenbei: Ein Bild ist
ja nur ein Bild. Überdies muss es früher oder später die
Künstlerwerkstatt verlassen. Der Dichter blieb so alleine
mit sich selber. Und noch immer drehten sich seine Gedanken
nur um die eine Sache, wie uns das Gedicht Kam? (Wohin?)
bezeugt. Um das Unglück noch größer zu machen, raffte
der Tod Pre¹erens Freunde einen nach den anderen dahin:
im Jahre 1835, als es schon kristallklar war, dass Julija
für den Dichter unerreichbar ist, ertrank der Bibliothekar
Matija Èop, ein Liebhaber von allem Schönen und ein sensibler
Kritiker, beim Baden in der Sava. Fünf Jahre später verabschiedete
sich auch der unglückliche Lebemann Andrej Smole (1800-1840)
für immer, der voller großartiger Pläne für die Entfaltung
der slowenischen Literatur war. Pre¹eren verehrte beide
mit gefühlvoll tiefgründigen Verszeilen: dem ersten widmete
er eine deutsche und eine slowenische Elegie und ein verhältnismäßig,
umfangreiches Epos in Versen Die Taufe an der Savica,
dem zweiten aber eines seiner schönsten Gedichte mit dem
einfachen Titel Zum Gedenken an Andrej Smole. Die Taufe
an der Savica ist eine ziemlich finstere Erzählung über
mittelalterliche Kämpfe zwischen den angreifenden Christen,
die nicht nur durch Mitteilsamkeit, sondern auch mit Feuer
und Schwert (und überdies noch mithilfe fremder, d.h.
bayerischer Militärintervention) ihre Lehren verbreiteten
und den slowenischen Altgläubigen (die ohne Hoffnung auf
Sieg die Freiheit ihres Volkes verteidigen). Der zentrale
Held des Epos, der Heidenführer Èrtomir, ließ sich nach
der Niederlage auf dem Schlachtfeld wegen der Liebe zu
seiner Auserwählten Bogomila, die bereits den neuen Glauben
angenommen hatte, bekehren und wurde Kämpfer Christi -
Priester. Dem Anschein nach ist dies eine unheroische
Tat: Èrtomir gab sein Leben nicht für seine Ideale her.
Aber: was ist, wenn jenseits des Grabes nichts ist? Was
ist, wenn der Tod nur ein absolutes Ende ist - also auch
das Ende jeden Sinns - und nichts anderes? Warum sich
dann opfern? (Und überhaupt: ist der Tod des Körpers das
Schlimmste, was einen Menschen ereilen kann? Ist das nicht
vielleicht der Tod der Seele beziehungsweise des Inneren,
das den Körper sogar überleben könnte?) Pre¹eren erzählt
in den selbstaussagenden Gedichten nämlich niemals davon,
was nach dem Tod sein könnte: in den Soneti nesreèe (Sonetten
des Unglücks) und anderen Gedichten, die die menschliche
Existenz und das Ende behandeln, sagte er nur, dass tam
- also dort (d.h. im Jenseits) nicht jenes ist, was tu
- also diesseits ist. Auch in Die Taufe an der Savica
fällt der Vorhang an der Stelle, wo der Autor klar und
deutlich über das Jenseits sprechen müsste: Èrtomir und
Bogomila gehen auseinander und sehen sich auf dieser Welt
nicht mehr. Ob sich aber Bogomilas Hoffnung über das Wiedersehen
im Himmel erfüllen wird, wissen wir nicht. Hinter dieser
ziemlich simplen Story verbergen sich also eine Menge
schicksalhafter Fragen, auf die es aber eigentlich keine
Antworten gibt. Der Gott in Die Taufe an der Savica bleibt
stumm und antwortet den Menschen nicht - nicht ihren Ängsten
und nicht ihren Hoffnungen. Ist es dann verwunderlich,
dass er das Leben eines wahrheitssuchenden Menschen ("Reisender")
in einer der Sonetten des Unglücks als "Abscheu" bezeichnet,
seinen Schauplatz aber als "Abgrund"? Auch der Nekrolog
für Andrej Smole liegt auf einer ähnlichen "Wellenlänge":
über den Verstorbenen könne nur gesagt werden, er sei
nicht unglücklich - wie er es unter den Lebenden war.
Nichts anderes. Es sei nicht möglich sich mit dem Gedanken
zu trösten, dass der Mensch für all seine Güte (und der
Dichter sagt über seinen toten Freund: "...ein bess`res
Herz hatte Ljubljana nicht"!) gerecht in irgendeinem "Jenseits"
entlohnt wird.
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Kehren wir in das Jahr 1836 zurück,
als Pre¹eren das Epos Die Taufe an der Savica herausbrachte.
Hinter ihm stand bereits der Großteil seines Dichteropus,
das langsam zu einem Buch heranwuchs - den Poesien. In
hinreichend klaren Umrissen interpretiert sich ihm auch
die Zukunft, denn er hat in früheren Sonetten seine letzten
Jahre witzig im Voraus beschrieben:
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Kupido! Du und Deine schöne Alte...
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Der Schauplatz des Dichters Lebensdrama
wurde immer finsterer, jedoch entsagte er sich dem Gedichteschaffen
nicht, obwohl es ein anderer Name für Leiden wurde - wie
es früher ein anderer Name für Hoffnung war (beziehungsweise
sogar der gefährlichste Ausdruck dessen). Im Jahre 1838
entstand ein sorgfältig und streng geformtes Gedicht Pevcu
/Dem Dichter (Die Strophen, die jede im Zeichen "ihres"
Vokals sind, sind symmetrisch um die Mittelachse angeordnet;
es gibt vierzehn Zeilen - soviel wie in einem Sonett),
das auf eine unglaublich bittere Art über das Schicksal
des Dichters spricht:
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Wer kann
die Nacht die finstre aufklären, die den Geist aufwühlt!
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Das Verhältnis mit Ana Jelovsek
Die späten dreißiger Jahre waren für Pre¹eren anscheinend
der tiefste Punkt in seinem Leben . Er verstrickte sich
in eine erotische Beziehung zu der blutjungen Adoptivtochter
der alten Frau Primic (es geht also um Julijas Adoptiv
"Schwester", die aber der Stiefmutter dann davonlief),
Ana Jelov¹ek, aber diese Liebe war für Pre¹eren nicht
mehr heilig, wie für Christen der Altar, sondern sie war
für ihn nur "eine schöne Sache". Ihrer beiden Kinder erwartete
ein trauriges Schicksal; die Eltern konnte wegen der finanziellen
Not nicht gerade beispielhaft für sie sorgen - zwei starben
bereits in den Kinderjahren, die Tochter Ernestina, die
später Schneiderin wurde, schrieb anschließend in deutscher
Sprache ein Buch über ihren Vater. Für dessen Herausgabe
in slowenischer Sprache sorgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts
der Dichter Anton A¹kerc.
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In den vierziger Jahren klärte sich
der Horizont ein wenig (leider heiterte er sich aber nicht
ganz auf). In Ljubljana begann die k.k. landwirtschaftliche
Gesellschaft für das Herzogtum Krain das Wirtschaftsmagazin
Kmetijske in rokodelske novice (1834) herauszugeben. Die
Redaktion der Zeitung übernahm "der Vater des slowenischen
Volkes" Dr. Janez Bleiweis, der seine Rolle sehr weit
auslegte und auch den Literaten etwas Raum ließ. Das war
für sie von großer Bedeutung, denn unsere Dichter und
Schriftsteller hatten anderswo nur wenig Möglichkeiten
ihre Arbeiten zu veröffentlichen. Die angebotene Möglichkeit
nutzte auch Pre¹eren, der schließlich - nach mehreren
zurückgewiesenen Anträgen - doch eine selbstständige Rechtsanwaltschaft
in Kranj zugesprochen bekam.
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Der Dichter interessierte sich auch
in dieser Zeit (trotz immer schlimmeren Gesundheitsbeschwerden)
intensiv für die Welt um ihn herum: so hat er z.B. auf
seine Art das Wunder der damaligen Technik - die Eisenbahn
- in unseren Orten bemerkt und begrüßt (das schalkhafte
Dialoggedicht Od ¾elezne ceste "Von der eisernen Straße";
im Jahre 1846 eröffnete man die Strecke zwischen der steirischen
Landeshauptstadt Graz und Celje). Er kannte auch (wenn
auch nicht persönlich) den größten Musikvirtuosen der
1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, den italienischen Violinisten
Niccolo Paganini, welchen er auch in seinem Gedicht ®enska
zvestoba (Die weibliche Treue) erwähnte (in etwa:"...er
wie Paganini gewöhnte sich, auf einer Saite zu streichen.").
Nach Kräften beteiligte er sich auch an der Revolution
im Jahre 1848, die in Mitteleuropa nicht nur die feudalistische
Ordnung endgültig einstürzen lässt sowie die verhasste
und erniedrigende Fronarbeit wegfegt, sondern auch einen
wahren "Völkerfrühling" darstellte. Da der widrige Zensor
Jernej Kopitar im Jahre 1844 starb, begann Pre¹eren ernsthaft
an die Herausgabe eines Buches seiner Gedichte zu denken.
Der neue Oberaufsichtsbeamte über den slowenischen Druck
in der Habsburger Monarchie wurde der vorsichtig liberal
orientierte steirische Slowene Franc von Miklo¹iè (1813-1891),
der weitherziger als sein Vorgänger war (im Jahre 1848
wurde er zu einem der Ideenväter eines vereinigten Sloweniens,
verehrt wurde er aber auch als Universitätsprofessor und
Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien; Kaiser
Franz Joseph verlieh ihm sogar einen Adelstitel und erhob
ihn in den Ritterstand) und dem Dichter keine größeren
Schwierigkeiten machte. So erblickten Ende des Jahres
1846 (mit Jahrgang 1847) die Poesien von Dr. France Pre¹eren
das Licht der Welt. Die Literaturöffentlichkeit - die
deutsche wie die slowenische - nahm diese freundlich auf
und Bleiweises Novice begannen ihren Autoren währenddessen
schon als einen berühmten Dichter zu bezeichnen. Aber
alle diese Erfolge kamen viel zu spät; Pre¹erens Alkoholprobleme
und der körperliche Verfall wurden immer offensichtlicher.
Mitte des Jahres 1848 versuchte der Dichter - wegen seines
Leidens, verbunden mit der fortschreitenden Leberzirrhose
- Selbstmord zu begehen, jedoch wurde er noch rechtszeitig
vom Strick genommen. Die letzten Monate seines Lebens
waren ein wahres dahinvegetieren. An seinem Bett wechselten
sich die verschiedensten Besucher ab: die Ärzte versuchten
zu ordinieren (aber Wunder sind keine Domäne ihrer Wissenschaft;
sogar die Triumphe des Medizinfachs bedeckt früher oder
später die Erde!), die Verwandtschaft interessierte sich
für seine Hinterlassenschaft und die Bekannten verabschiedeten
sich einer nach dem anderen. Schließlich kam zum Dichter,
der sich als freigeistiger Mensch einen Namen machte,
sogar ein Priester und half ihm vor dem Tod mit den religiösen
Tröstungen. Auch der Druck - als öffentliches Auge und
Ohr - interessierte sich verhältnismäßig intensiv für
den Verlauf seiner Krankheit, und dies, obwohl er weder
Präsident einer Regierung/Republik noch ein Film/Rock
Star war. Außerdem aber fehlte es in jenen Monaten wirklich
nicht an Neuigkeiten: der grauhaarige, zweiundachtzig-jährige
Feldmarschall des Wiener Kaisers, der Graf Radetzky (er
konnte auch slowenisch; in Zidani Most sprach er sogar
die Eisenbahner in slowenischer Sprache an und gab ihnen
Geld für Getränk), jagte mit seinen Regimentern - unter
ihnen war das berühmteste "das Eiserne" 47. Untersteirische
Regiment - die Italiener auf dem Flussgebiet der Padua,
dass es hinter ihnen nur so rauchte; in Ungarn kam es
zu einem erfolglosen Sturzversuch der Habsburger Monarchie
vom dortigen Thron und zu einer Revolution; die Kommunisten
lancierten ihr Manifest und drohten den Kapitalbesitzern
im Namen der Arbeiter... Ja, im 19. Jahrhundert verehrte
man noch die Geistesfürsten, nicht nur die Körper der
Herrscher und die Eintagsfliegen (beziehungsweise Einnachtsfliegen)
auf dem Jahrmarkt der Nichtigkeit.
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Der Dichter starb im Morgengrauen des
8. Februar 1849. Noch am gleichen Tag wurde in der Krainer
Hauptstadt folgende Todesanzeige aufgegeben:
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Dem slowenischen
Verein in Ljubljana gibt der Herr Volkswacheleiter in
Kranj das traurige Ereignis zur Kenntnis, dass unser berühmter
Dichter Herr
France Pre¹eren,
Doktor der Rechte und k.k. Rechtsanwalt in Kranj, am 8.
Tag dieses Monats um acht Uhr vormittags, nach langer
Krankheit und versehen mit den hl. Sterbesakramenten verstorben
ist.
Das Begräbnis findet am Samstag, dem 10. Tag dieses Monats,
um zehn Uhr Vormittags statt. Dem berühmten Manne die
letzte Ehre zu erweisen, lädt der slowenische Verein Freunde
und Bekannte des Verstorbenen, alle Mitglieder des slowenischen
Vereins, und überhaupt alle Einheimischen ein, am Samstag
nach Kranj zum Begräbnis zu kommen.
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Seitdem ist Pre¹eren für Generationen
von Slowenen viel mehr als nur einer aus der Reihe heimischer
Literaten. Kurzum er ist unser dichterisches Genie. Er
begleitet uns von der Geburt bis zum Tod. Die Zeiten ändern
sich, Pre¹erens Werk aber bleibt ein harter Felsen von
unvergänglicher Schönheit im schäumenden Meer des Vergehens.
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prof. dr. Igor Grdina
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Der Text wurde veröffentlicht im Buch Pre¹eren.doc, Verlag
Rokus.
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